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Writer's pictureHeidi Hell

Getreide #2 – der Roggen

Weiter geht’s in Udo Renzenbrinks Getreidebuch mit dem Roggen.

In Teilen Österreichs wird Roggen ganz einfach als “Korn” oder “Troad” (Getreide) bezeichnet, ein Hinweis darauf, dass dieses Getreide ein Grundnahrungsmittel war, das die Landschaft und den Menschen prägte. Roggenspeisen rüsteten unsere Vorfahren für die schwere Landarbeit. Gemäß der “Signaturenlehre”, nach der noch Paracelsus lehrte wird vom Erscheinungsbild einer Pflanze auf deren Wirksamkeit im Menschen geschlossen. Das mag vielleicht in der heutigen Zeit ein wenig ungewöhnlich klingen. Aber wieder verweise ich auf den Spruch “Du bist, was du isst.”

Der Roggen fällt durch die starke Wurzelbildung und die Formkraft auf. Diese Kräfte wirken in uns auf das Nerven- und Sinnessystem – ähnlich wie Gerste und Weizen. Auch die Mineralisierung von Knochen und Gelenken und die Stärkung von Herz und Lunge gehen von dieser Formkraft aus. Roggen vermittelt Aufrichtekraft und stärkt das Rückgrat, gibt dem Körper Kraft für Arbeit und Bewegung. Er umspannt den gesamten Jahreskreislauf, von der Aussaat im Herbst bis zur Ernte im Sommer des nächsten Jahres. Das unterscheidet ihn von anderen Getreidesorten, die eine wesentlich kürzere Vegetationsperiode haben. Eine weitere Besonderheit ist die Rötung der Keimspitzen bei der ersten Berührung mit Licht. Viel Sonne und Licht prägen also die Vegetation des Roggen, mit deren Hilfe ja aus Wasser und Kohlendioxid das Kohlenhydrat gebildet wird, das im Korn gespeichert wird. Diese besondere Qualität, die im Roggenkorn dadurch entsteht, gibt Kraft sowohl für geistige wie auch körperliche Arbeit. Eine weitere Besonderheit des Roggen ist seine günstige Wirkung auf die Leber durch den hohen Kaliumgehalt. Voraussetzung für diese Wirkung ist eine Zubereitungsweise, die den Roggen gut verdaulich macht. Dies erreicht man durch feines Schroten oder Würzen mit Kümmel. Den Bezug zu den Wochentagen stellt Jupiter (frz. jeudi) am Donnerstag her. Großmut und Weisheit sollen hier walten. Da kommt der erdende Roggen genau richtig. Er verleiht Standfestigkeit und stärkt die Leber. (Quelle: demeter.at)

Zum Brot backen ist Roggen ideal, es hält

sich länger frisch und saftig als reines Weizenbrot. Grundsätzlich braucht man Sauerteig, damit der Roggen im Brot besser verdaut werden kann. Aber auch in Germteigrezepten kann man geringe Mengen des Weizenmehls durch Roggenmehl ersetzen, ohne dass man Sauerteig zugeben muss. Auch in den Getreidebrei passen Roggenflocken oder man verwendet Schrot zum Binden von Suppen oder Bratlingen.

Hier habe ich ein Rezept für ein Roggenbrot mit Demeter-Mehl gefunden. Von mir gibt es heute nämlich kein Rezept, sondern ein Gedicht. Essen und Kochen wird in unserer heutigen Zeit oft als zeitintensiv und zeitraubend gesehen. Aber wieviel mehr Zeit hat noch meine Eltern- und Großelterngeneration damit verbracht!? Wie schwierig war es noch vor verhältnismäßig kurzer Zeit, Nahrung in ausreichender Menge und Qualität zu bekommen, um den Hunger seiner Familie zu stillen! Dieses Gedicht von Johann Ludwig Runeberg (1804-1877) erinnert mich daran, dass ich mich auch darüber freuen könnte, wie einfach und schnell wir in unserem Land zur heutigen Zeit zu gutem und gesunden Essen kommen!

Bauer Paavo

Schwedisch von Johann Ludwig Runeberg Deutsch von Friedrich Wilhelm Weber

Hoch in Saarijärvis Moor bewohnte Einen kalten Hof der Bauer Paavo, Pflegend sein Geländ’ mit fleiß’gen Armen; Doch vom Herrn erharrte er den Wachstum!

Und er wohnte dort mit Weib und Kindern, Aß im Schweiß sein karges Brot mit ihnen, Führte Wassergräben, pflügt’ und säte. Kam der Lenz und schmolz der Schnee vom Acker, Und die junge Saat zerfloß zur Hälfte; Kam der Sommer, stürzten Hagelschauer, Und der Ähren Hälfte lag zerschlagen, Kam der Herbst und nahm der Frost, was übrig,

Paavos Weib zerrauft ihr Haar und sagte: “Paavo, Paavo, unglücksel’ger Alter; Greif zum Stabe! Gott hat uns verstoßen, Schwer ist betteln; aber hungern schlimmer.” Paavo nahm des Weibes Hand und sagte: „Prüfen will der Herr, doch nicht verstoßen. Mische du ins Brot zur Hälfte Borke, Doppelt lange Gräben will ich führen, Und vom Herrn erharre ich den Wachstum.” Tat das Weib ins Brot zur Hälfte Borke, Zog der Alte doppelt lange Gräben, Tauschte Korn für Schafe ein und säte.

Kam der Lenz, und schmolz den Schnee vom Acker, Und die junge Saat zerfloß zur Hälfte; Kam der Sommer, stürzten Hagelschauer, Und der Ähren Hälfte lag zerschlagen; Kam der Herbst und nahm der Frost, was übrig.

Paavos Weib zerschlug die Brust und sagte: „Paavo, Paavo, unglücksel’ger Alter; Laß uns sterben, weil uns Gott verstoßen. Schwer ist sterben, aber leben schlimmer.” — Paavo nahm des Weibes Hand und sagte: „Prüfen will der Herr, doch nicht verstoßen. Mische du ins Brot die Borke doppelt, Zweimal tiefte Gräben will ich führen, Und vom Herrn erharre ich den Wachstum.” Tat das Weib ins Brot die Borke doppelt, Zog der Alte zweimal tiefte Gräben, Tauschte Korn für Gerste ein und säte.

Kam der Lenz, und schmolz der Schnee vom Acker, Doch des Ackers junge Saat zerfloß nicht. Kam der Sommer, stürzten Hagelschauer, Doch die Ähren wurden nicht zerschlagen; Kam der Herbst, doch ferne blieb die Kälte, Und des Schnitters harrten goldne Halme.

Da fiel Paavo auf sein Knie und sagte: „Prüfen will der Herr, doch nicht verstoßen.” Und sein Weib fiel auf ihr Knie und sagte: „Prüfen will der Herr, doch nicht verstoßen.” Und mit Freude sprach sie zu dem Alten: „Paavo, Paavo, lustig greif zur Sichel, Nun ist’s Zeit, zu leben frohe Tage, Nun ist’s Zeit, die Borke fortzuwerfen Und aus reinem Roggen Brot zu backen.”

Paavo nahm des Weibes Hand und sagte: „Weib, o Weib! Nur der erträgt die Prüfung, Welcher nicht vergißt des dürft’gen Nächsten. Mische du ins Brot zur Hälfte Borke, Denn erfroren steht des Nachbars Acker.”

Das Gedicht und Teile des Inhalts dieses Artikels sind diesem Buch entnommen:

Die-sieben-Getreide

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